Fraunhofer IPA

Setup für die automatisierte Nadelsondenpositionierung im experimentellen Interventionsraum von PAMB in Mannheim

Aus einer Bierlaune zum OP-Roboter

Nicht aller Anfang fällt schwer. Eine der zahlreichen Geschichten aus den Anfängen der Entwicklung von Operationsrobotern am Fraunhofer IPA begann bei einem Glas Bier am Rande einer Konferenz. Zu den Gesprächspartnern zählte unter anderem ein Oberarzt der Neurochirurgischen Abteilung einer Klinik aus Wiesbaden.

Fraunhofer IPA

Laboraufbau von Whole’o’Hand in einem ersten technischen Operationssaaldemonstrator für die Lebertumorentfernung im Closed-Loop-Verfahren

Es stimmte die Chemie, doch es dauerte noch einige Zeit, bis auf der 150-Jahr-Feier von Siemens im Oktober 1997 in Berlin der erste Operationsroboter des Fraunhofer IPA vorgestellt wurde. Dieses Robotersystem bestand aus einem Operationscockpit für den Chirurgen auf einem hydraulisch angetriebenen Hexapod. Von diesem Cockpit wurde der eigentliche Operationsroboter mit einem Joystick als Eingabegerät gesteuert. Auf der Instrumentenplattform des Roboters war ein Endoskop montiert, das ein Videobild aus einem Glaskopf lieferte. Der Clou war, dass das Cockpit wie ein Flugsimulator die Bewegungen des Endoskops nachahmte. Das ist auch aus heutiger Sicht ziemlich originell. Die ersten Untersuchungen aber zeigten, dass die Unterstützung des Chirurgen bei der äußerst schwierigen Orientierung im Körper des Patienten eher gering, der »Achterbahn-Effekt« einschließlich Übelkeit dafür recht groß war.

Die ersten praktischen Erfahrungen mit dem Robotersystem fanden bei einem Einsatz am Anatomischen Institut der Universität Wien für minimalinvasive neurochirurgische Eingriffe und kurz darauf am Anatomischen Institut der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit der HNO-Universitätsklinik bei Eingriffen an der lateralen Schädelbasis mit anatomischen Präparaten statt. Für das automatische Ausfräsen scheckkartengroßer Segmente aus dem Schädel von Präparaten benötigte der Roboter statt einer Dreiviertelstunde nur wenige Minuten. Klang gut. Allerdings verschwand der Chirurg auf der anderen Seite des Operationstisches dabei hinter Rauchschwaden. Die ganze Angelegenheit wäre für den Patienten bis heute eher gefährlich als nützlich.

Es musste ein neues Konzept her. In dem Fraunhofer-internen Projekt »Whole’o’Hand« wurde erstmalig ein Closed-Loop-System für die Entfernung von Lebertumoren entwickelt. Der entscheidende Unterschied bestand in der Entwicklung eines durchgängig geregelten statt wie üblich gesteuerten oder sogar »nur« telemanipulierten Systems. Bei diesem Ansatz vermisst der Roboter ständig den Körper des Patienten, um auf gefährdete Regionen oder in diesem Fall die Änderungen der Lebergeometrie automatisch reagieren zu können. Oder der Roboter nutzt die Daten für ein Active-Constraints-Konzept.

Für das automatische Ausfräsen scheckkartengroßer Segmente aus dem Schädel von Präparaten benötigte der Roboter statt einer Dreiviertelstunde nur wenige Minuten. Klang gut. Allerdings verschwand der Chirurg auf der anderen Seite des Operationstisches dabei hinter Rauchschwaden. 

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Forschung anno 1997:Ein Arzt erklärt einer Hostess im Operationscockpit die Funktion des Roboters für neurochirurgische Eingriffe auf der 150-Jahr-Feier von Siemens in Berlin.

Es hat grundsätzlich funktioniert. Allerdings hätte sich die OP-Zeit um Stunden verlängert und die Operation wäre auch sonst durch den technischen Aufwand vermutlich ineffizienter geworden. Mittlerweile ist dieser Weg ein »no go« für den Robotereinsatz in der Medizin. Der Aufwand kann nicht mit einem entsprechenden klinischen Nutzen aufgerechnet werden.

Nach diesem Projekt wurde der Entwicklungszeitraum bis zur Realisierung von automatisierten Interventionen auf zehn oder mehr Jahre geschätzt. Manchmal geht es auch ein bißchen schneller. Seit 2011 forscht die IPA-Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie, kurz: PAMB, unter der Leitung von Professor Jan Stallkamp in der Alten Klinikapotheke mitten auf dem Gelände des Universitätsklinikums Mannheim an Automatisierungslösungen für den klinischen Einsatz und die medizinische Forschung.

Schwerpunkt sind die Arbeits- und Forschungsgebiete Geräte und Instrumente, Software und Steuerung, Mess- und Analysesysteme sowie Prozessentwicklung – und natürlich die Entwicklung von Robotersystemen für den Operationssaal. Ein aktuelles Ergebnis ist die automatische Nadelsondenpositonierung für Anwendungen in der interventionellen Radiologie oder Strahlentherapie im eigenem experimentellen Interventionsraum. Die ersten Erfahrungen: Es sieht so aus, als könnten dadurch Interventionen wesentlich schneller und sicherer durchgeführt werden. Die interventionellen Radiologen in Mannheim wollten das System sofort eine Woche am Patienten einsetzen. Diese Geschwindigkeit hat den Ingenieuren dann doch einen Schrecken versetzt. Es bleibt spannend.