Fraunhofer IPA

Quelle: Christian Paparazzo

Ein echter Vordenker

»Ich komme gern nach Stuttgart zurück. Für mich ist das ein Stück Heimat und ich weiß, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, dass sich das Institut so entwickelt hat, wie es heute dasteht. Erfolgreich«, ist sich Professor Wilfried Sihn sicher. Der Forscher ist seit 2004 in Wien und leitet dort seit 2008 Fraunhofer Austria Research. Er fühlt sich mehr als Praktiker denn als Professor.

Bis vor einem Jahr hatte Sihn noch ein Büro in Stuttgart. Er ist fest verwoben mit Baden-Württemberg und blickt auf 23 Jahre am Fraunhofer IPA zurück. Am Ende war er sogar Stellvertretender Institutsleiter und verantwortlich für zwei von fünf Geschäftsbereichen: Unternehmensmanagement und Logistik. Inhaltlich zwei Themen, die seinen Werdegang am Fraunhofer IPA maßgeblich prägten und von denen er noch heute profitiert.

»Das wohl bekannteste Thema, dass ich zu Zeiten von Professor Warnecke betreut habe, war die fraktale Fabrik. Damit haben wir für Furore gesorgt, obwohl es manche auch belächelten. Im Zuge der digitalen Transformation tauchen einzelne Elemente wieder auf, die bei uns bereits vor 30 Jahren Erwähnung fanden«, so Sihn. Die Geister, die er in den 1990er Jahren rief, holen ihn heute ein, sind Realität geworden: Deep Learning, Machine Learning und Künstliche Intelligenz, um nur einige zu nennen.

»Alles in einen Topf werfen, dreimal umrühren, intelligent auswerten und dann dem Kunden wieder zurückspiegeln.«

Ein zweites Thema, das nahtlos daran anknüpft und von dem er voller Begeisterung erzählt, ist Vorausschauende Instandhaltung. Schon damals war ihm klar: Daten sind der Schlüssel. Salopp formuliert: »Alles in einen Topf werfen, dreimal umrühren, intelligent auswerten und dann dem Kunden wieder zurückspiegeln«. Condition Monitoring war das Schlagwort. Jedoch war man technisch nicht in der Lage, die Daten, so wie es heute möglich ist, zu erfassen und auszuwerten. Sihn: »Heute sind wir nicht nur in der Lage, darüber zu reden, sondern das Ganze auch umfänglich zu nutzen. Vorhersagen im Zeitraum von drei Monaten sind machbar«.

Auch sein neuester Clou hat Vordenkerqualitäten: Fraunhofer Austria Research und die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck werden in Zukunft eng kooperieren. Am Fraunhofer Innovationszentrum »Digitale Transformation der Industrie« in Tirol entsteht eine neue Forschungsgruppe. Ein interdisziplinäres Team forscht dort an neuen Konzepten und Methoden im Bereich Digitale Plattformen.

Professor Sihn hat Fraunhofer nach Österreich gebracht, die Marke von null auf 100 hochgezogen. Anfangs sesshaft in einer wunderschönen Jugendstilvilla – links vom Gebäude schläft der Papst, rechts der spanische Botschafter – reichte schnell der Platz nicht mehr aus. Alle Zeichen standen auf Wachstum, mehr Arbeitsfläche musste her. Auch die Liebe blieb nicht auf der Strecke: So ist der 63-Jährige heute mit einer »waschechten« Wienerin verheiratet. Alles in allem war die Entscheidung, nach Österreich zu gehen und etwas Neues aufzubauen, goldrichtig